#schongenial: Warum haben Sie sich entschieden, Psychotherapeutin zu werden?
Niccola Liedl: Ich habe schon immer ein großes Interesse an Menschen und ihren Gefühlen gehabt. Besonders faszinierend fand ich, wie die menschliche Seele „funktioniert“. Schon früh wollte ich verstehen, warum wir fühlen und handeln, wie wir es tun. Zusätzlich hat mich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen besonders angesprochen. Mir war es wichtig, in einem sozialen Beruf zu arbeiten, bei dem ich nicht nur mit Menschen zusammenkomme, sondern auch einen positiven Beitrag zum Gelingen der Gesellschaft leisten kann. Es motiviert mich, die Welt für einige Menschen vielleicht ein bisschen leichter zu machen.
#schongenial: Was waren die größten Herausforderungen während Ihrer Ausbildung?
Niccola Liedl: Die Ausbildung war definitiv sehr anspruchsvoll, insbesondere weil sie berufsbegleitend war. Es ging nicht nur darum, therapeutische Fähigkeiten zu erlernen, sondern auch den wissenschaftlichen Aspekt der Psychotherapie zu verstehen. Gleichzeitig habe ich in Kinderbetreuungseinrichtungen gearbeitet und verschiedene Praktika absolviert – das alles unter einen Hut zu bekommen, war nicht immer leicht. Auch der Beginn der Arbeit mit Patientinnen und Patienten war oft sehr herausfordernd, weil man natürlich bei dieser Tätigkeit eine große Verantwortung trägt.
#schongenial: Wie gehen Sie selbst mit dem emotionalen Stress um, den Sie durch Ihre Arbeit erleben?
Niccola Liedl: Während der Ausbildung habe ich schon gelernt, wie wichtig es ist, sich abzugrenzen. Das ist ein essenzieller Teil, um langfristig in diesem Beruf arbeiten zu können. Ich tue aber auch gezielt Dinge, die mir guttun, um mich zu entspannen. Dazu gehören meine Hobbys, wie Häkeln, Yoga, Kochen und Backen. Aber auch einfache, alltägliche Dinge wie Lesen oder ein Bad nehmen helfen mir, abzuschalten. Wenn gar nichts hilft, kann ein kurzer Austausch mit einer Kollegin oder einem Kollegen Wunder wirken.
#schongenial: Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie bei der Arbeit mit jungen Menschen im Vergleich zu älteren Klienten?
Niccola Liedl: Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist die Familie oft stark involviert, was die Therapie komplexer macht. Es geht nicht nur um das Kind oder den Jugendlichen allein, sondern auch darum, die Eltern mit ins Boot zu holen. Manchmal ist es eine Herausforderung, sicherzustellen, dass alle Beteiligten – das Kind, die Eltern und die Therapeutin – das gleiche Ziel verfolgen. Es braucht viel Kommunikation und Feingefühl, um das gesamte System zu unterstützen.
#schongenial: Welche Themen oder Probleme treten bei jungen Klienten am häufigsten auf?
Niccola Liedl: Das ist sehr unterschiedlich und wirklich breit gefächert. Ich sehe hier sehr Unterschiedliches – von Ängsten über Depressionen, Emotionsregulationsstörungen, ADHS bis hin zu Essstörungen und sozialer Phobie. Letztere hat sich besonders nach der Pandemie verstärkt gezeigt. Oft stehen die jungen Menschen unter einem enormen Druck, sei es durch die Schule, durch die Eltern oder durch gesellschaftliche Erwartungen. Dieser Druck kann eine große Belastung für sie sein.
#schongenial: Spielt die Jahreszeit eine Rolle in Ihrer Arbeit?
Niccola Liedl: Ja, absolut. Der Sommer ist für viele Menschen eine angenehmere Zeit. Man ist mehr draußen, die Sonne scheint, und man sammelt Vitamin D. Viele nehmen sich im Sommer eine Auszeit, wie zum Beispiel die Sommerferien bei Schüler:innen und Student:innen. Im Herbst und Winter hingegen ziehen sich viele Menschen zurück, es wird früh dunkel, und die kalten Monate können bedrückend sein. Für manche wird Weihnachten ohne Familie oder ein soziales Umfeld besonders schwer, was zu einem verstärkten Einsamkeitsgefühl führen kann. Der Frühling hingegen kann für viele einen Aufschwung bringen, aber es ist auch bekannt, dass in dieser Jahreszeit die Suizidraten ansteigen.
#schongenial: Vielen Dank für diese Eindrücke und alles Gute für Ihre weitere Arbeit!